Jahrbuch Ethik in der Klinik 2017

Jahrbuch Ethik in der Klinik 2017
Jahrbuch Ethik in der Klinik 2017

Wagner, S. (2017): Auswirkungen der Globalisierung auf Narkosevorbereitung und Patientensicherheit in Kliniken. Moralische Abwägungen mit Blick auf Patienten sowie Mitarbeiter


in: Frewer, A./Bergemann, L./Hack, C./Ulrich, H.G. (Hrsg.):
Die kosmopolitische Klinik.
Globalisierung und kultursensible Medizin,
Jahrbuch Ethik in der Klinik (JEK),
Yearbook Ethics in Clinics,
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg,
S. 245-277.

ISBN: 978-3-8260-6381-7

Buch beim Verlag


„[…] Die Auswirkungen der Globalisierung und Internationalisierung im Gesundheitswesen sind unübersehbar, unaufhaltsam und mit wachsenden ethischen sowie ökonomischen Herausforderungen verbunden, die zudem die Finanzierung des Gesundheitssystems teils auf eine harte Probe stellen. Telemedizin, BigData, eHealth, zunehmende Vernetzung sowie die damit einhergehende Zusammenarbeit über digitalisierte Arbeitsweisen verstärken diese Tendenzen, wobei diese Informationstechnologie eine Datenethik erfordert. Neben dem seit längerem bekannten Medizintourismus, bei dem Patienten u.a. für eine Operation nach Deutschland anreisen, ist auch die wachsende Zahl an Asylbewerbern und Flüchtlingen am Universitätsklinikum Erlangen angekommen. In den ersten neun Monaten des Jahres 2016 betrug der Anteil der Flüchtlinge an allen Patienten des Universitätsklinikums ungefähr 1%, der Anteil von ausländischen Mitarbeitern an allen Ärzten 8,5%. Bei Betrachtung eines Migrationshintergrundes sind es doppelt so viele. Im wissenschaftlichen Bereich stammen mehr als 10% der Angestellten nicht aus Deutschland. 2014 arbeiteten 4% Pflegekräfte mit Migrationshintergrund am Klinikum – aktuell mehr als doppelt so viele. Insgesamt sind am Uniklinikum mehr als 7.500 Mitarbeiter tätig.

Dadurch entstehen vielfältige medizinethisch relevante Wechselwirkungen auf die Patientenversorgung – durch multinationale Teams einerseits, durch die Auseinandersetzung mit Patienten aus unterschiedlichen Sprach- und Kulturkreisen andererseits. Dabei können vordergründig zumeist die Unterschiede zwischen Berufs- und Bevölkerungsgruppen als bedeutsam erscheinen, welche anfangs als negative „Differenz“ betrachtet werden, während Gemeinsamkeiten zwischen Personen hingegen sehr häufig positiv bewertet werden. In diesem potenziellen Spannungsfeld bringen die ausländischen Mitarbeiter und Patienten jeweils ihre eigenen politischen und konfessionellen Wertesysteme ein, die nun bei der Ausübung ihres Berufes berufsethischen Pflichten unterworfen werden, die von der Rolle als Arzt oder Pflegekraft traditionell erwartet werden. Das Aufeinandertreffen dieser Differenzen bietet ein Konfliktpotenzial, aber zugleich auch Chancen. Diese Chancen können sich in einer wachsenden interkulturellen Kompetenz der Prozessbeteiligten zeigen, welche wiederum auf einer (Selbst-)Reflexion der Wechselwirkungen der eigenen, individuellen Denk- und Handlungsmuster mit denen der übrigen Interagierenden aufbaut. Die Potenziale aber auch Probleme der interkulturellen klinischen Arbeit lassen sich gleichsam wie in einem Brennglas im Kontext der perioperativen Tätigkeiten gebündelt betrachten: Zahlreiche operative Eingriffe werden täglich durchgeführt. Die Narkosevorbereitung stellt die interdisziplinäre Informationsdrehscheibe als Garant für die Patientensicherheit in der perioperativen Medizin dar – auch als Risikoevaluation bezeichnet. Geschätzt kommen zwei bis fünf Patienten pro Woche mit einem Dolmetscher in die Ambulanz.

[…]“ (S. 245-246)



JEK 2017 Inhalt
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