Hintergrund, Motivation und innovative Fragestellung

Dr. med. Stefan Wagner, MHBA



Der stationäre Sektor besteht aus einem inter- und multidisziplinären Dienstleistungsprozess. Aufgrund von Schnittstellen mit Ineffizienzen und überlappenden Prozessen sind redundante Tätigkeiten mit aufwändiger Dokumentation charakteristisch. Medienbrüche zwischen Papier und digitaler Datenverarbeitung verlängern Prozesszeiten und führen zu Mehraufwand durch Mehrfacherhebungen sowie manuelle Übertragungen. Erschwerte Organisation,

Kooperation sowie Kommunikation sind die Folge, woraus negative Effekte resultieren, wie unnötige Beanspruchung von Ressourcen, vor allem in Diagnostik und Therapie. Defizite in der Informationslogistik haben nicht nur negative Auswirkungen auf die Versorgungsqualität, sondern auch finanzielle, etwa Leerstände von OP-Sälen.

Die gezielte Zusammenarbeit aller Berufsgruppen ist von großer Bedeutung. Sie benötigen umfangreiche Informationen zur bestmöglichen Aufgabenerfüllung. Informations- und Wissenslogistik werden als Erfolgsfaktor angesehen, um Daten rechtzeitig, in der richtigen Aufbereitung, am richtigen Ort und für die Prozessbeteiligten zur Entscheidungsunterstützung bereitzustellen.

Datenverarbeitung ist ein bedeutender Produktivitäts- und Qualitätsfaktor im umkämpften Wettbewerb. Deutsche Krankenhäuser fallen bei der Digitalisierung im internationalen Vergleich weit zurück. Der Digitalisierungsgrad ist sehr gering. Es besteht hoher Nachholbedarf.

Integrierte KIS können dazu beitragen, Informationslücken zu beseitigen sowie Prozesse zu verkürzen. 20 bis 40 % der Leistungen im Gesundheitswesen stellen Erfassung von Daten sowie Kommunikation dar. Ärzte verbringen täglich mehrere Stunden mit Dokumentation. 85 % schätzen die IT-Prozessunterstützung als mittelmäßig bis sehr schlecht ein. Ineffiziente Prozesse mit mangelnder strukturierter Dokumentation, Weitergabe und erneuter Nutzung von Daten sowie Automatisierung führen zu Verzögerung, Zeitverlust, Kostenexplosion und Fehlversorgung.

Erschwerend kommt hinzu, dass Hersteller medizintechnischer Geräte und Software eine technische Anbindung trotz Schnittstellen häufig nicht problemlos sicherstellen, woraus parallele Insellösungen mit eigenständiger Datenhaltung entstehen, welche effizienter Zusammenarbeit und Vernetzung entgegenstehen.

Prozesse sind selten gezielt aufeinander abgestimmt. Stattdessen werden Anwendungen oftmals nur zur elektronischen Dokumentation genutzt. In der Folge entstehen unzweckmäßige Abläufe, welche wiederholt zwischen elektronischen sowie analogen Prozessschritten wechseln, ohne Prozesse, Dokumentation und Datenaustausch komplett abzudecken.

Ein Großteil der Ärzte erhofft sich zwar eine Effizienzsteigerung durch die Digitalisierung. Der Status quo zeigt aber einen Mangel an dazu erforderlicher benutzerfreundlicher Software und umfassender disziplinenübergreifender elektronischer Dokumentation.

Deswegen ist es entscheidend, den Alltag im Krankenhaus so effizient wie möglich zu gestalten. Die Herausforderung besteht darin, ein koordiniertes Prozessgeschehen nacheinander und parallel ablaufender Leistungen informationstechnisch abzubilden.

In hohem Maße ist dies von der Vernetzung der Bereiche abhängig, um Doppelarbeiten sowie Mehrfacherhebungen zu reduzieren und eine gemeinsame Informationsbasis mit einer mehrmaligen automatischen Verwendung einmal dokumentierter Informationen (Single-Source) umzusetzen.

Krankenhausinformationssysteme haben sich von Abteilungssystemen zu übergreifenden Anwendungen entwickelt und umfassen zahlreiche Programme von zumeist unterschiedlichen Herstellern mit Redundanzen durch unzureichende funktionale Integration und eingeschränkte Interoperabilität.

Integrierte KIS können Schnittstellenprobleme überwinden, indem sie den Zugriff beschleunigen, die Qualität der Kommunikation erhöhen sowie eine zeitnahe Verfügbarkeit sicherstellen und sich positiv auf Prozess- und Ergebnisqualität auswirken. Dennoch empfinden es viele Ärzte weiterhin als schwierig, zielgerichtet vollständige Informationen zu erhalten, trotz der Fortschritte im Vergleich zur ausschließlich papiergebundenen Dokumentation.

Zunehmende Spezialisierung, Komplexität, medizinischer Fortschritt und steigende Komorbiditäten lassen die Bedeutung einer systematischen Informationsverarbeitung für das Krankenhaus als Ganzes steigen. Bewertungen solcher Systeme stellen die entscheidende Voraussetzung für deren zielgerichtete Entwicklung und eine sowohl qualitativ hochwertige als auch effiziente Versorgung dar.

Den wenigen zuvor verfügbaren Kriterien ist gemeinsam, dass sie zu allgemein und nicht umfassend genug sind, um sie unmittelbar auf ein Krankenhaus mit dieser globalen Zielsetzung der Effizienzsteigerung anzuwenden.

Im Rahmen der Masterarbeit wurden deshalb umfassende Bewertungskriterien für ein effizientes Krankenhausinformationssystem entwickelt. Am Praxisbeispiel ORBIS von Agfa HealthCare am Klinikum Fürth (807 Betten) als Lehrkrankenhaus der Universität Erlangen-Nürnberg wurden diese angewandt.


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