Jahrbuch Ethik in der Klinik 2016

Jahrbuch Ethik in der Klinik 2016
Jahrbuch Ethik in der Klinik 2016

Wagner, S. (2016): Zielkonflikte in der klinischen Informationstechnologie. Ein lösungsorientierter Ansatz im Bereich Onkologie


in: Frewer, A. /Bergemann, L. /Jäger, C. (Hrsg.):
Interessen und Gewissen.
Moralische Zielkonflikte in der Medizin,
Jahrbuch Ethik in der Klinik (JEK),
Yearbook Ethics in Clinics,
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg,
S. 205-226.

ISBN: 978-3-8260-6071-7

Buch beim Verlag


„[…] Aufgrund der Arbeitsverdichtung, Zertifizierung Onkologischer Zentren, Dokumentationsstandards und Qualitätssicherungsmaßnahmen gewinnt neben der steigenden Zahl an ambulanten und stationären Fällen deren Dokumentation an entscheidendem Gewicht. Die klinische Patientenversorgung sowie deren zeitnahe Dokumentation sind dabei eng und untrennbar miteinander verbunden. An Diagnostik wie auch Behandlung beteiligen sich zahlreiche Berufsgruppen als Leistungserbringer. Alle haben unterschiedliche Erwartungen an die Dokumentation, die zunehmend elektronisch vonstattengeht.

In denjenigen Bereichen der Medizin, die sehr viele Daten während der Diagnostik- und Therapieprozesse erzeugen, ist dies von besonderer Bedeutung. Hierzu zählt die Onkologie – unterteilt in Internistische Onkologie, Chirurgie
und Strahlentherapie. Insbesondere bei der Analyse des Gebietes der Onkologie werden daher die Interessenkonflikte zwischen den an der Nutzung, Entwicklung, Implementation und Optimierung neuer elektronischer Dokumentationshilfen Beteiligten und auch den in der Folge davon Betroffenen, den Patienten, offensichtlich. Die Prozesse sind von inter- sowie multidisziplinärem Handeln geprägt, wobei der informationellen Selbstbestimmung eine große Rolle zukommt, auf deren Auswirkungen für den wechselseitigen Datenaustausch zwischen folgenden Bereichen im Verlauf Bezug genommen wird: Pathologie, Radiologie, Hämatologie, Internistische Onkologie, Chirurgie, Strahlentherapie, Sozialdienst, Pflegedienst, ambulanter Sektor.

Diverse Interaktionsprozesse und somit Interessenkonflikte treten zwischen folgenden Hauptakteuren hervor:

  • Ärzte
  • Pflegekräfte
  • Patienten
  • Externe Leistungserbringer (ambulanter Sektor)
  • Informatik, Medizinische Informatik
  • Sekundäre Nutzer von Daten aus der Patientenversorgung, wie Forschung, Biobanken, Studien, Statistiken, Krebsregister

Die dokumentierten Merkmale dienen neben Forschung, Studien sowie der Qualitätssicherung ebenfalls statistischen Zwecken und der Krebsregistrierung.

[…]

Während Ärzte mehr als ein Drittel ihrer täglichen Arbeitszeit mit Dokumentations- und Verwaltungsarbeiten verbringen, ist auch der Anteil bei den Pflegenden deutlich gewachsen. Aus diesem Grund erhoffen sich beide Anwendergruppen eine einfache, einheitliche, stringente elektronische Datenerfassung, welche durch Rückgriff auf einen Single-Source-Ansatz Informationen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung einmalig digital festhält und anschließend für die Wiederverwendung ohne Zusatzaufwand oder Mehrfacherhebungen bereitstellt.
Die Bereithaltung von umfangreichen Datenmengen aus diversen einzelnen Informationssystemen erleichtern mittlerweile „Data-Warehouse-Systeme“, die Inhalte aggregieren und nach spezifischen Anforderungskriterien in zusammengeführter Form exportieren. Allerdings wird hierzu vorausgesetzt, dass alle relevanten Daten vollkommen elektronisch erfasst und damit abrufbar sind. Anderenfalls stehen diese Informationen nicht ohne zusätzlichen Aufwand und Mehrfacherfassungen zur Verfügung. Mehrfacherhebungen verzögern Datenauswertungen, erhöhen gleichzeitig die Zahl an Übertragungsfehlern und führen nicht zuletzt zu erhöhtem personellen Bedarf und damit steigenden Kosten. Eine zum Großteil verstreute Sammlung derselben klinischen Informationen in mehreren parallelen EDV-Anwendungssystemen neben zeitgleich fortbestehender Papier- und Mehrfachdokumentation erfordert mehr zeitliche Ressourcen.

[…]“ (S. 205-206)



JEK 2016 Inhalt
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